Mit Honorarbescheid vom Januar 2019 für das Quartal 3/2018 setzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg das Honorar des zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Kinder- und Jugendmediziners K fest. Bestandteil der Gesamtsumme von rund 100.000€ war für die Betriebskosten der Telematikinfrastruktur (TI) ein Betrag i.H.v. 294,51 €, sich zusammensetzend aus je einer Pauschale für die Betriebskosten der TI, den Praxis- sowie den Heilberufsausweis.
Mit seinem Widerspruch machte K geltend, ihm stehe ein Anspruch auf Erstattung sämtlicher Betriebskosten der TI von weiteren 569,66 €. Die Kosten für den Betrieb der TI und weitere Aufwände, die in untrennbarem Zusammenhang mit dem Betrieb und der Aufrechterhaltung der TI in seiner Praxis stünden, würden sich allein im Quartal 3/2018 auf 864,17 € belaufen. Dieser Betrag setze sich zusammen aus den Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Praxisausweise angefallen seien (laut Rechnung der Bundesdruckerei 571,20 €). Bei einer Laufzeit des Praxisausweises von 60 Monaten ergebe sich eine monatliche Kostenbelastung i.H.v. 9,52 € bzw. 28,56 € pro Quartal. Weiter seien Kosten für ein Servicepaket eines privaten Anbieters in Höhe von monatlich 82,67 € (248,01 € pro Quartal) für Service, Wartung und Bereitstellung des VPN-Zugangsdienstes entstanden. Außerdem stehe ihm ein Erstattungsanspruch hinsichtlich jener Lohnkosten zu, die nicht-ärztliche Mitarbeiter der Praxis im Quartal 3/2018 darauf verwendet hätten, um Probleme mit dem Betrieb und der Aufrechterhaltung der TI zu bearbeiten (arbeitstäglich 0,5 bis 1,5 Stunden; pro Woche i.H.v. 45,20 €, bei 13 Kalenderwochen im Quartal 3/2018 insgesamt 587,60 €).
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Dem K seien die ihm nach der TI-Finanzierungsvereinbarung zustehenden Pauschalen erstattet worden. Den gesetzlichen Regelungen in den §§ 291, 291a SGB V sei nicht zu entnehmen, dass die Pauschalen kostendeckend im Sinne einer Vollkostenerstattung sein müssten. Es handele sich vielmehr lediglich um eine pauschale Anschubfinanzierung, was nicht zuletzt aus Gründen der Verwaltungsvereinbarung zweckdienlich erscheine. Darüber hinaus müssten die Krankenkassen in diesem Zusammenhang Investitionen von ca. 1 Milliarde € aus Versichertenbeträgen aufbringen. Vor diesem Hintergrund erscheine bei Abwägung der widerstreitenden Interessen auch eine etwaige finanzielle Belastung der Ärzte im Interesse des Gemeinwohls, insbesondere zur Steigerung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung der Versicherten, zumutbar. Die laufenden Kosten für die Praxisausweise würden als Betriebskosten i.H.v. 23,25 € quartalsweise vergütet. Die drei zugelassenen Anbieter für Praxisausweise würden den Praxisausweis in der Höhe dieser Pauschale anbieten. Das Servicepaket würde als Teil der laufenden Betriebskosten durch eine Pauschale i.H.v. 248 € pro Quartal abgegolten. Ein Anspruch auf Erstattung von Lohnkosten bestehe nicht.
Mit Urteil vom 30.10.2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe im Bescheid die Pauschalen nach der TI-Finanzierungsvereinbarung zutreffend und der Höhe nach korrekt berechnet. Für die Erstattung höherer Kosten fehle es an einer Anspruchsgrundlage.
Der 5. Senat des Landessozialgericht Baden-Württemberg hat die Berufung des K zurückgewiesen: Der Kostenerstattungsanspruch ergebe sich für das allein streitgegenständliche Quartal 3/2018 aus der im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften (§ 291a Abs. 7 SGB V in der Fassung vom 21.12.2015, Vorgängerregelung zu § 378 SGB V) i.V.m. der zwischen den Spitzenorganisationen zwischen den Spitzenorganisationen abgeschlossenen „TI-Finanzierungsvereinbarung“. Dabei regele die TI-Finanzierungsvereinbarung abschließend und ausschließlich über Pauschalen die Erstattung der Kosten, die der Vertragsarztpraxis durch die Einführung und den Betrieb der TI entstünden. Dies sei unbedenklich und ergebe sich schon aus der Gesetzessystematik, wonach die Art und Weise sowie die Höhe der Erstattung der Kosten zwischen den Vertragspartnern vereinbart werden sollten. Diesem Auftrag seien die Vertragspartner vollständig nachgekommen. Die festgelegten Pauschalen habe die Beklagte dem K in zutreffender Höhe gutgeschrieben. Eine Erstattung von Lohnkosten für Praxismitarbeiter, welche anlässlich der Behebung von technischen Problemen der Praxisverwaltungssoftware als Folge der Inbetriebnahme des Geräts für den sicheren Netzzugang (TI-Konnektor) und der Anbindung an die TI entstanden sind, sehe weder das Gesetz (§ 291a Abs. 7 SGB V a.F.) noch die TI-Finanzierungsvereinbarung vor. Es handele sich weder um erstmalige Ausstattungskosten noch um Kosten, die dem Kläger im laufenden Betrieb der TI, sondern im Betrieb der Praxissoftware entstanden seien. Bei Programmfehlern oder Anpassungsbedarf der Praxisverwaltungssoftware sei aber nicht die Beklagte, sondern der Softwarehersteller zuständig. Soweit K geltend mache, dass in dem streitbefangenen Zeitraum offensichtlich gewesen sei, dass die der TI-Finanzierungsvereinbarung zugrunde gelegten Marktpreise nicht der tatsächlichen Marktpreisentwicklung entsprochen hätten, treffe dies nicht zu. Im Übrigen lasse sich aus der vereinbarten Pflicht zur umgehenden Aufnahme von Verhandlungen zur Anpassung der Finanzierungsvereinbarung kein Erstattungsanspruch des K ableiten. Vielmehr gälten die vereinbarten Pauschalen bis zur Änderung fort. Eine Anpassung der Pauschalen sei trotz mehrfacher Änderung der Vereinbarung bis heute nicht erfolgt. Soweit K darauf verweise, dass auch die Beklagte fordere, den ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen ihre Aufwendungen für die Digitalisierung zu erstatten und den Betrieb der gesamten TI als Daseinsinfrastruktur analog zum Bundesautobahnennetz als Aufgabe des Staates nicht mehr dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen, handele es sich um eine rechtspolitische Forderung, die bislang keinen Eingang in die Rechtslage gefunden habe. Die Revision an das Bundessozialgericht wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Hinweis zur Rechtslage:
Nach § 291a Abs. 7 SGB V in der Fassung vom 21.12.2015 (Vorgängerregelung zu § 378 SGB V) treffen die Spitzenorganisationen eine Vereinbarung zur Finanzierung (1.) der erforderlichen erstmaligen Ausstattungskosten, die den Leistungserbringern in der Festlegungs-, Erprobungs- und Einführungsphase der TI sowie (2.) der Kosten, die den Leistungserbringern im laufenden Betrieb der TI (…) entstehen. |